Explosionen wie im Actionfilm? Lieber nicht, Explosionsschutz und die ATEX-Richtlinie
27.10.2022
27.10.2022
Beim Wort „Explosion“ kommen vielen vermutlich erst einmal die perfekt inszenierten Explosionen aus Hollywoods Actionfilmen in den Kopf. Doch abgesehen von diesen cineastischen Werken, bringen Explosionen nichts Positives mit sich: Das Ausmaß der Zerstörung einer chemischen Reaktion in industriellen Anlagen kann verheerend sein. Vor allem im Kontext von Chemieunternehmen oder Tankstellen hört man von katastrophalen Folgen.
Bist du selbst Errichter:in oder Betreiber:in von Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen? Du brauchst zertifizierte Produkte, dessen Eigenschaften den Normen entsprechen, die zur Gefahrenverhütung etabliert wurden. Alles, was du wissen musst steht in der ATEX-Richtlinie, die wir für dich auseinander genommen und hier im Folgenden zusammengefasst haben.
Die Abkürzung ATEX leitet sich aus der französischen Bezeichnung für explosionsgefährdete Umgebungen ab (=ATmosphères EXplosives).
Ein wichtiger Bereich der Sicherheitstechnik im Maschinen- und Anlagenbau ist der Schutz vor der Entstehung von Explosionen. Ein wirksamer Explosionsschutz soll Schäden an Mensch, Maschinen und Anlagen verhindern. Produkte und Geräte in explosionsgefährdeten Bereichen haben in der EU die Vorgaben der ATEX-Richtlinien einzuhalten. Die ATEX-Richtlinie regelt die Aspekte des Explosionsschutzes in der Europäischen Union und umfasst die Betreiberrichtlinie 1999/92/EG und die Herstellerrichtlinie 2014/34/EU. „ATEX-Richtlinie“ wird als Begriff somit als Kurzform verwendet.
Wichtig: Die Richtlinie 2014/34/EU gilt für den Hersteller, die 1999/92/EU gilt für Betreiber eines Gerätes oder einer Maschine!
Explosionsgefährdete Bereiche, auch Ex-Bereiche genannt, sind gemäß der Richtlinie, „Bereiche, in denen die Atmosphäre aufgrund der örtlichen und betrieblichen Verhältnisse explosionsfähig werden kann“.
Explosionsgefährdet ist eine Umgebung also dann, wenn sich in der Atmosphäre ein potenziell explosives Gasgemisch bilden könnte. Dies ist immer dort der Fall, wo Dämpfe austreten und mit der Umgebungsluft in Verbindung treten können, zum Beispiel bei der Herstellung von Farben oder Lacken, Duftstoffen und Lebensmitteln. Übrigens zählen auch Staubgemische z. B. in der Mehlproduktion dazu.
Kurz: ATEX ist ein Zertifikat. Nur dadurch wird der Einsatz für Geräte und Maschinen in einer explosionsgefährdeten Umgebung erlaubt.
Für die Zertifizierung eines Gerätes oder einer Maschine werden die explosionsgefährdeten Bereiche durch Zonen, Gerätekategorien und den EPL (Equipment Protection Level) definiert.
Dazu ein paar Detailinfos:
Die ATEX-Richtlinie teilt den Ex-Bereich in zwei grundlegende Ex-Zonen auf:
Beide Zonen werden in weitere Unterzonen unterteilt, abhängig davon, wie häufig und für welche Dauer dort explosionsfähige Gas- oder Staub-Atmosphären auftreten können.
Brennbarer Stoff | Zonen-Einteilung | Die explosionsfähige Atmosphäre … |
Gas | Zone 0 | ist ständig, langzeitig oder häufig vorhanden |
Gas | Zone1 | tritt gelegentlich auf |
Gas | Zone 2 | tritt wahrscheinlich nicht auf, und wenn, dann nur selten oder kurzfristig |
Staub | Zone 20 | ist ständig, langzeitig oder häufig vorhanden |
Staub | Zone 21 | tritt gelegentlich auf |
Staub | Zone 22 | tritt durch aufgewirbelten Staub wahrscheinlich nicht auf bzw. nur selten/kurzzeitig |
Gerätegruppen und -kategorien werden gemäß Richtlinie 2014/34/EU durch den Hersteller festgelegt und definieren des Sicherheitsniveau eines Gerätes. Zur eindeutigen Kennzeichnung bringt der Hersteller dafür ein Piktogramm an.
Piktogramm gemäß Richtlinie 2014/34/EU |
Der Geräteschutzgrad EPL (Equipment Protection Level) wird durch die Normen EN 60079-0 und EN ISO 80079-36 definiert und kennzeichnet ebenfalls das Sicherheitsniveau eines Geräts. Das EPL gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass die Geräte zu einer Zündquelle werden können. Es hängt von der Art der explosionsfähigen Atmosphäre ab: Gas (G), Staub (D) oder Minen (M).
Doch warum braucht es eine solche Zertifizierung? Man könnte doch meinen, dass Maschinen und Geräte eh möglichst sicher konstruiert werden, schon allein im Rahmen der Maschinenrichtlinie. Die ATEX-Richtlinie gibt konkrete Handlungsvorgaben an, welche dann mittels Zertifizierung nachvollzogen werden können.
Die Konstruktionsanforderungen an Geräte und Schutzsysteme werden durch die sogenannten Zündschutzarten bestimmt.
Ein Schutzprinzip gibt an, dass…
Dabei wird zwischen Zündschutzarten für Gas- und Staubatmosphären sowie für elektrische und nicht elektrische Betriebsmittel unterschieden. Die Zündschutzarten werden in der mehrteiligen Norm EN IEC 60079 beschrieben.
Die Zertifizierung ist für zutreffende Produkte ein MUSS. Solche Produkte können nur dann bestimmungsgemäß in der erwarteten Umgebung innerhalb der EU in Verkehr gebracht und gehandelt werden, wenn sie der Richtlinie 2014/34/EU (und anderen geltenden Rechtsvorschriften) entsprechen.
Inverkehrbringen bedeutet, Produkte entgeltlich oder unentgeltlich zum ersten Mal in der Europäischen Gemeinschaft zum Zwecke des Vertriebs und/oder der Verwendung verfügbar zu machen.
Das Inverkehrbringen bestimmt somit den Zeitpunkt, zu dem ein Produkt seinen Status zu „Auf dem EU-Markt verfügbar“ ändert. Das gilt für:
Darüber hinaus gibt es Geräte, die nicht der ATEX-Richtlinie 2014/34/EU unterliegen. Darunter fallen z. B.:
Bei STYRZ geht es um technischen Content und vielmehr um die Dokumentation, als um konstruktive Vorgaben an die Entwicklung. Welche Besonderheiten gelten für die Risikobeurteilung und welche Hinweise müssen in der Betriebsanleitung eines Gerätes für den sicheren Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen stehen? Was braucht eine ATEX-Dokumentation? Und: Welche Angaben sind in der Konformitätserklärung eines Gerätes nach der ATEX-Richtlinie anzugeben?
Die ATEX-Richtlinie fordert eine Bewertung bzw. Analyse aller möglichen Risiken an der Maschine oder dem Gerät. Daher muss die herstellende Firma eine Risikobeurteilung für das eigene Produkt erstellen. Es muss somit einem Gefahrenbewertungsprozess unterzogen werden und systematisch alle Teile und Phasen des Gebrauchs nach vorhersehbaren Gefahren untersucht werden. Das deckt sich somit mit einer „normalen“ Risikobeurteilung im Sinne der Maschinenrichtlinie.
Anders ist: Die herstellende Firma muss ein Dokument zur Zündgefahrenbewertung erstellen. Das Dokument zeigt Gefährdungssituationen und Gefährdungsereignisse auf und gibt konstruktive wie auch konzeptionelle Maßnahmen zur Minderung dieser Risiken vor.
Was im Maschinen- und Anlagenbau die DIN EN ISO 12100 eine Typ-A Norm für die Entwicklung von sicheren Maschinen ist, so ist in Hinsicht auf die ATEX-Richtlinie die Norm DIN EN 1127 als Typ-A-Norm zu erwähnen. Die Norm „Explosionsfähige Atmosphären – Explosionsschutz – Teil 1: Grundlagen und Methodik“ beschreibt die grundlegenden Konzepte und die Methodik des Explosionsschutzes.
Die ATEX-Richtlinie fordert von der herstellenden Firma eine Betriebsanleitung für seine Maschine oder Gerät, welches in einem explosionsgefährdeten Bereich betrieben wird.
Gute Nachricht: Diese Betriebsanleitungen unterscheiden sich nur in geringem Maß von Betriebsanleitungen nach anderen Richtlinien. Die allgemeinen Anforderungen sind deckungsgleich:
Neben diesen allgemeinen Infos müssen natürlich ATEX-spezifische Hinweise in der Dokumentation enthalten sein. Dazu gehört:
Ein ATEX-Produkt braucht eine Konformitätserklärung, der eine Konformitätsbewertung vorweg geht.
Bei der Konformitätsbewertung nach ATEX gilt grundsätzlich: Je strenger die Zone, desto strenger die integrierte Explosionssicherheit des Produkts und damit die vom Hersteller umzusetzenden Maßnahmen, um gefährliche Situationen zu vermeiden.
Durch das CE-Konformitätsbewertungsverfahren analysiert und bestätigt die herstellende Firma die Übereinstimmung des Produkts mit den Parametern, die die ATEX-Richtline vorschreibt.
Die CE-Kennzeichnung wird entweder auf dem Gerät, der Verpackung oder der Anleitung angebracht.
Folgende Formel lässt sich aus dem Artikel entnehmen:
Entzündbares Material + Sauerstoff + Zündquelle = Explosion
Explosionsschutz ist eine konstruktive, aber auch eine Doku-Angelegenheit. Denn vereinfacht gesagt zählen zum Explosionsschutz (Ex-Schutz) alle Maßnahmen, die das Risiko der Entstehung sowie der Entzündung einer explosionsfähigen Atmosphäre auf ein Minimum reduzieren bzw. absolut verhindern. Dazu kann man durch wichtige Hinweise in technischen Dokumenten beitragen.
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