Wir haben in diesem Blog schon oft angesprochen, was eine Technische Dokumentation besonders „gut“ macht: Eine analytische Zielgruppenbetrachtung, die Beachtung des Nutzungskontexts, eine durchdachte Struktur und vieles mehr.

Heute graben wir tief: Wir widmen uns der grundlegenden Methode zur Vermittlung von Wissen, der Didaktik. Welche Didaktikkonzepte machen Technische Dokumentationen wirklich verständlich?

Als Grundsatz gilt: Deine Nutzer:innen brauchen von dir den leichtesten Zugang zu den Informationen. Das ist der Kern deines Jobs. Diese Aufgabe ist alles andere als trivial, weil technische Informationen mit theoretischen Lernkonzepten verknüpft werden müssen. Aber zuerst:

 

Warum lernen unsere Nutzer:innen und was ist ihre Motivation?

Unsere Nutzer:innen haben bereits ihr gesamtes Leben Sachverhalte gelernt: Laufen, Sprechen, soziale Gepflogenheiten, Naturgesetze – all das lernen wir alle um zu überleben und Teil der Gesellschaft zu sein. Diese Sachverhalte MÜSSEN wir also lernen. Genauso wie z. B. Deutsch und Mathematik in der Schule. Das brauchen wir zwar nicht zum Überleben, wird uns allen jedoch vom Bildungssystem aufgezwungen.

Anders verhält es sich da bei Fußballregeln, wie man sich schminkt oder die Fremdsprache des Lieblingslands. Diese Sachverhalte lernen wir freiwillig, weil wir es so wollen; wir sind intrinsisch motiviert.

 

Übertragen wir das auf den Kontext Technische Dokumentation, verhält es sich ähnlich. Es gibt Situationen

  • in denen die Nutzer:innen dringend sicherheitsrelevante Informationen benötigen. Die Motivation ist sehr hoch diese zu verstehen, um Leib und Leben zu retten,
  • in denen sie z. B. von Vorgesetzten dazu angehalten werden, die Informationen zu lernen,
  • in denen Nutzer:innen aus eigener Motivation heraus ein Produkt kennen lernen möchten.

 

Die Aufgabe der Technischen Redaktion ist es, die Nutzer:innen genau an ihrem Level der Motivation abzuholen, um die Infos, also den Lerninhalt, zu vermitteln. Wie wir Nutzer:innen zu Lernenden machen, hängt zunächst einmal von deren Lerntyp ab. Denn: Man sagt ja gerne „Wir lernen ein Leben lang“, aber eben jeder auf unterschiedliche Weise.

Zunächst einmal wird der Lernprozess entweder fremdbestimmt, die sogenannte extrinsische Motivation, oder man ist selbstmotiviert, die sogenannte intrinsische Motivation. Soviel können wir bereits vorwegnehmen: Unser Ziel ist, in unseren Nutzer:innen durch eine möglichst einfache, verständliche und zum Kontext passende Informationsaufbereitung, eine intrinsische Motivation zu befeuern.

Geht man nach dem US-amerikanischen Psychologie-Prof. Zimbardo, gibt es folgende Lerntypen:

  • Visuelle Lerntypen: Lerninhalte werden optisch aufgenommen. Diesen Lerntypen überzeugen besonders Visualisierungen wie Grafiken, Fotos, Skizzen. Dieser Lerntyp liest lieber, als dass er sich Informationen anhört oder selbst erarbeitet.
  • Auditive Lerntypen: Lerninhalte werden auditiv aufgenommen. Dieser Lerntyp lernt am besten durch Vorträge, Podcasts oder liest sich selbst laut vor. Diesen Lerntypen kannst du beispielsweise durch eine Vorlesefunktion motivieren.
  • Kommunikative Lerntypen: Lerninhalte werden durch aktive kommunikative Situationen aufgenommen. Dieser Lerntyp lernt am besten über Diskussionen oder kommunikative Auseinandersetzungen. Das kann z. B. die Interaktion mit einem Chatbot sein.
  • Habtische Lerntypen: Lerninhalte werden durch praktische Auseinandersetzungen aufgenommen. Dieser Lerntyp lernt durch Tun. Er wird motiviert, wenn er etwas in die Hand nehmen kann, um einen Sachverhalt zu begreifen. Praktische Beispiele unterstützen ihn beim Lernen.

 

Welcher Lerntyp bist du? Die meisten sind Misch-Lerntypen, bei denen ein Lerntyp dominiert, aber Lerninhalte auch über die anderen Kanäle aufgenommen werden können.

Inwiefern das für uns interessant ist? Wir können die Bedürfnisse verschiedener Lerntypen berücksichtigen. Können wir einen Sachverhalt auch als Video erklären? Lässt sich eine Vorlesefunktion einbauen? Können wir Praxisbeispiele geben?

 

Der Nutzen didaktischer Modelle

Zudem gibt es einige Didaktikmodelle, die wir auch auf die Technische Redaktion beziehen können z. B. für den Bereich E-Learning.

Ein Beispiel dafür ist das heuristische Lernmodell nach Baumgartner und Payr. Dieses wurde speziell für computergestütztes Lernen entwickelt. Das Modell beschreibt, wie gehandelt und wie gelernt wird. Es ist somit ein handlungsorientiertes Lernmodell. Dazu dienen drei Achsen, welche die verschiedenen Ebenen beleuchten:

https://portfolio.peter-baumgartner.net/files/pdf/2003/Baumgartner_2003_Didaktik-eLearning-Strategien-Softwarewerkzeuge-und-Standards.pdf

 

Lehr- und Lernebene auf der X-Achse:

Diese Ebene beschreibt die Auswahl und die Zuordnung von Lerninhalten. Was soll vermittelt werden? Die Strukturierung dieser Ebene spielt besonders bei sich nach und nach aufeinander aufbauenden Inhalten eine Rolle.

Handlungsebene auf der Y-Achse:

Diese Ebene beschreibt den kontinuierlichen Aufbau von Handlungsmöglichkeiten. Leichte Lerninhalte werden zuerst vermittelt. Durch zunehmende Komplexität weiten sich die Handlungsmöglichkeiten aus.

Ebene der sozialen Organisation auf der Z-Achse:

Diese Ebene geht auf die lehrenden Personen und deren Rolle im Lernprozess ein. In den Anfangsphasen muss viel erklärt werden. Umso kompetenter die Lernenden werden, umso mehr wandelt sich die Rolle der lehrenden Personen.

 

Alle didaktischen Modelle haben in ihrer Aussage eins gemein: Wir als Technische Redakteur:innen müssen vom Ende her denken. Was sollen unsere Nutzer:innen machen? Was fragen sie sich dabei? Der Nutzende denkt nach vorne; das müssen wir sozusagen von hinten her aufrollen. Wir formen die Lernumgebung, wir formen das didaktische Design. Denn viele Faktoren des erfolgreichen Lernens liegen an der Person an sich, doch genauso viele Faktoren können wir optimieren.

Das fängt beim Thema Layout an, geht über Standardisierungsmaßnahmen für mehr Verständlichkeit und endet nicht zuletzt bei zusätzlichen Lernmitteln wie Tutorials oder Live-Schulungsmöglichkeiten.

Durch unsere Technische Dokumentation, in welcher Form auch immer, begleiten wir unsere Nutzer:innen durch die Stufen des Lernens:

  1. Wissen: Kenntnisse vermittelt bekommen
  2. Verstehen: Verstehen des Sachverhalts
  3. Anwenden: Kenntnisse anwenden können
  4. Analyse: Kenntnisse auch in neuen Situationen anwenden können
  5. Evaluation: Eine Situation beurteilen können

Hast du ein bewusstes didaktischen Konzept? Unserer Meinung nach lohnt es sich, Lernziele und Lernwege einmal wirklich zu hinterfragen. Nimmst du die Nutzer:innen in jeder Lernphase an der Hand? Sind Lernziele motivierend dargestellt? Wir plädieren für mehr didaktisch-durchdachtes Vorgehen in der Technischen Redaktion!