Du möchtest eine Technische Dokumentation wie eine Betriebs-, Bedien- oder Montage-Anleitung schreiben? Dann hast du dich sicherlich gefragt, wie der Prozess dafür aussieht, also der perfekte Musterprozess. In diesem Blogartikel stellen wir dir die Phasen eines Dokumentationsprozesses vor. Los geht’s!

Die Phasen des Dokumentationsprozesses

Der Dokumentationsprozess umfasst normalerweise 7 Phasen:

  1. Phase der Analyse
  2. Phase der Konzeptionierung
  3. Phase der Risikobetrachtung und Erstellung der Sicherheitshinweise
  4. Phase der Definition der bestimmungsgemäßen Verwendung
  5. Phase der Produktbeschreibung
  6. Phase der Dokumentenerstellung
  7. Phase der Publikation

Bei einer „neuen“, erstmaligen Dokumentation eines technischen Produkts, werden die 7 Phasen durchlaufen. Wird ein Produkt lediglich in einer neuen Version herausgebracht, kann Phase 1-4 wegfallen. Dann ist die Zielgruppe und der Nutzungskontext bereits analysiert und das Konzept, die Sicherheitshinweise und die bestimmungsgemäße Verwendung vermutlich deckungsgleich zwischen altem und neuem Produkt.

In den nachfolgenden Absätzen wird von einem vollständigen, erstmaligen Dokumentationsprozess ausgegangen. Hier wird zunächst die erste Phase der Analyse genauer unter die Lupe genommen.

 

Die erste Phase der Analyse

Dieser Absatz zur Analysephase soll dich befähigen…

… Möglichkeiten der Produktanalyse zu kennen

… Schritte der Tätigkeitsanalyse zu kennen

… Was-macht-wer-Matrix anwenden zu können

… die Grundlagen einer Zielgruppenanalyse zu kennen

… Nutzungskontext eines Produkts einschätzen zu können.

 

Produktanalyse

Beginnen wir mit der Produktanalyse. Als erster Schritt muss der Technische Redakteur oder die Technische Redakteurin das Produkt kennen lernen. Dieses Kennenlernen dient als Recherche, um die Handlungsmöglichkeiten, die Grenzen und die Gefahren des Produkts zu ermitteln.

Die Produktanalyse ist abhängig davon, ob das Produkt bereits (als Prototyp) vorliegt. Dann kann direkt am Produkt die Handlung durchgespielt, notiert und dann in der späteren Phase ausführlich dokumentiert werden. Liegt das Produkt nicht vor, dienen Interviews mit dem Entwicklerteam des Produkts als Informationsquelle. Dann ist diese Analyse theoretischer, kann aber mit Anschauungsmaterial wie beispielsweise 3D-Modellen für die Technischen Redakteur:innen möglichst erfahrbar machen.

In beiden Fällen sind folgende Interviewfragen gute Anhaltspunkte, um das Wissen für die anstehende Technische Dokumentation zu bekommen:

  • Erfrage den bestimmungsgemäßen Gebrauch
  • Erfrage, für welche Zielgruppe(n) das Produkt gedacht ist
  • Erfrage, welches Vorwissen man zur Nutzung braucht
  • Erfrage, ob man eine bestimmte Berufsausbildung braucht, um mit dem Produkt zu interagieren
  • Schaue dir das Produkt mit all seinen Komponenten an
  • Analysiere, welche Bedienelemente am Produkt sind und lasse dir die Funktionsweise erklären
  • Erfrage die Benennungen der Komponenten und der Funktionen
  • Frage nach der Risikobeurteilung, welche durch die Konstruktion erstellt wurde

Meine Empfehlung: Mache dir Notizen, Bilder, Videos – das hilft, in der späteren Phase alle Bedienelemente und -schritte noch parat zu haben.

 

Tätigkeitsanalyse

Zur Produktanalyse gehört auch die Tätigkeitsanalyse. Die Tätigkeitsanalyse orientiert sich an den Produktlebensphasen des Produkts. Diese variieren je nach Produkttyp. Eine Maschine (Transport, Montage, Betrieb, Außerbetriebnahme etc.) durchlebt andere Lebensphasen als eine Software (Installation, Anwendung, Fehlermeldungen etc.).

Um alle möglichen Tätigkeiten mit dem Produkt zu erfassen, kann man zu Beginn der Erstellung die Lebensphasen und die Handlungen systematisch dokumentieren. Dafür dient z. B. auch die Wer-macht-was-Matrix, die so aussieht:

Matrix_leer

Die Was-macht-wer-Matrix ist eine Methode, um die Erkenntnisse aus der Produktanalyse und Tätigkeitsanalyse zu systematisieren. In der Matrix werden die Tätigkeiten, die am Produkt entrichtet werden, mit den Personen, die Tätigkeiten am Produkt entrichten, korreliert.

Durch die Zuordnung Tätigkeit – Person, kann ermittelt werden, welchen Informationsbedarf die unterschiedlichen Personengruppen haben. Solche Personengruppen können zum Beispiel Transportpersonal, Montagepersonal, Bedienpersonal, Wartungspersonal, Reinigungspersonal etc. sein.

Matrix_befuellt

Durch die gestrichelten Boxen lassen sich Wissensbedarfe zusammenfassen. So kann man auch verschiedene Informationsprodukte nach eben genau diesen Boxen planen. In dem Beispiel hier könnte man z. B. extra Transporthinweise für das Transportpersonal konzipieren. Der Rest der Anleitung wäre für die Personengruppe uninteressant.

 

Zielgruppenanalyse

Ist das Produkt und die damit vollbrachten Handlungen beschrieben, schaut man sich an WER das alles machen soll. Mit dem Produkt handeln verschiedene oder auch immer die selben Personengruppen, wie wir sie vorher genannt haben. Diese Personengruppen werden als Zielgruppen bezeichnet. An diese Gruppen werden die Informationen zielgerichtet erstellt.

Mit Hilfe einer Zielgruppenbetrachtung sollen die Bedürfnisse der Zielgruppe an das Informationsprodukt ermittelt werden. Welches Vorwissen hat die Zielgruppe? Welche Lesemotivation hat die Zielgruppe? Welche Erwartungen hat die Zielgruppe an das Informationsprodukt? Welche Besonderheiten hat die Zielgruppe z. B. benötigt sie eine sehr große Schrift?

Es gibt drei Möglichkeiten an diese Informationen zu kommen:

  • aus eigener Wahrnehmung/Anschauung vermuten
  • im Interview von Dritten erfragen (z. B. Servicemitarbeiter:innen, Vertriebsmitarbeiter:innen, einzelne Kund:innen)
  • gezielte Analysen und Recherchen (Befragung der Zielgruppe selbst)

Nur der letzte Punkt entspricht einer Zielgruppenanalyse, die beiden anderen sind lediglich eine Zielgruppenbetrachtung. Eine Zielgruppenanalyse erfolgt durch Interviews mit der Zielgruppe. Das kann durch einen Dienstleister erfolgen oder der Hersteller des Produkts kann eine Umfrage bei seinen eigenen Kund:innen schalten.

Potentielle Fragen sind:

  • Gibt es Erfahrung mit diesem oder einem ähnlichen Produkt?
  • Gibt es Vorwissen in Form von relevanten Berufsausbildungen etc.?
  • Welche Tätigkeiten werden mit dem Produkt ausgeführt?
  • In welchem Nutzungskontext wird mit dem Produkt interagiert?
  • Sind die mit dem Produkt einhergehenden Fachbegriffe bekannt?
  • Wird die Bedienungsanleitung herangezogen?

Fragen nach Alter, Geschlecht, Schulabschluss etc. sind selten zielführend. Alter und Schulbildung haben keinen direkten Einfluss auf die Handhabung des Produkts. Viel interessanter ist es zu erfahren, ob die Zielgruppe einschränkende Probleme hat. Das kann z. B. eine verminderte Reaktionszeit durch das Alter sein, der Bedarf einer größeren Schrift bei älteren Menschen, einfache Sprache bei Nicht-Muttersprachlern, welche die Anleitung somit in einer Fremdsprache lesen.

Wenn du ein solches Interview planst, wähle die gestellten Fragen sehr bewusst aus. Was musst du über deine Zielgruppe wissen, um dieser ein optimales Informationsprodukt zu liefern?

Das Ergebnis dieser Zielgruppenanalyse lässt sich durch die Persona-Methode darstellen. Dabei wird eine fiktive Person erstellt, welche alle Eigenschaften der Zielgruppe repräsentiert. Eine solche Persona kann z. B. als Plakat in die Redaktionsabteilung gehängt werden. So kann man sich im Schreibprozess daran orientieren, wie man für eben genau diese fiktive Person schreiben würde.

 

Analyse des Nutzungskontext

Neben der vorher beschriebenen Zielgruppenanalyse muss auch der Nutzungskontext analysiert werden. Daraus lassen sich Rückschlüsse für den Inhalt und die Gestaltung des Informationsprodukts ziehen. In welcher Situation kommt die Zielgruppe mit dem Informationsprodukt in Kontakt? Ist das freiwillig, automatisch oder nur in einer Notsituation? Hat die Zielgruppe im Nutzungskontext bestimmte Herausforderungen z. B. Lärm oder wenig Licht?

Als Beispiel:

Ein Video-Tutorial erklärt anhand von einem Video mit Tonspur, wie ein Reparaturschritt ausgeführt wird. An sich eine gute Idee – doch in welchem Nutzungskontext steht das Tutorial?

Reperaturhinweis_leise

Fall 1: Das Tutorial erklärt einen Reparaturschritt einer Waschmaschine. Der Nutzungskontext ist somit eine relative ruhige Atmosphäre in privaten Waschküchen/Waschkellern. Das Video kann auf einem Handy oder Tablet während der Reparatur angeschaut werden.

Reparaturhinweis_laut

Fall 2: Das Tutorial erklärt einen Reparaturschritt einer Fräsmaschine. Der Nutzungskontext ist somit eine laute Atmosphäre in einer Maschinenhalle. Die Zielgruppe kann den Ton des Videos vermutlich nur schlecht verstehen. Die Zielgruppe hat zudem nicht zwangsläufig ein mobiles Endgerät zur Verfügung. Zudem wird sich eine Person im Arbeitskontext mehr Stress machen, wenn die Maschine nicht läuft und eher unter Druck arbeiten.

 

Dieses Beispiel soll zeigen, dass ein Informationsprodukt neben der Betrachtung der Zielgruppe eben auch die Betrachtung des Nutzungskontexts berücksichtigen muss.

Du siehst, bevor die eigentliche Erstellung der Dokumentation beginnt, musst du erstmal an den Inhalt kommen. Dafür analysierst du verschiedene Bereiche rund um das Produkt und die nutzenden Personen.

In der nächsten Phase geht es an die Konzeptionierung. Bleib dran, um über die anderen Phasen ebenfalls mehr zu erfahren!