Die Produktanalyse als erster Schritt des Dokumentationsprozesses

Manchmal können Technische Redakteure und Redakteurinnen auch Sherlock Holmes spielen. Produktanalyse ist Detektivarbeit.

Die Produktanalyse ist der erste Schritt des Dokumentationsprozesses. Denn: Als erster Schritt muss der Technische Redakteur oder die die Technische Redakteurin das Produkt kennen lernen. Dieses Kennenlernen dient als Recherche, um die Handlungsmöglichkeiten, die Grenzen und die Gefahren des Produkts zu ermitteln.

In welcher Form die Produktanalyse stattfinden kann, ist abhängig davon, ob das Produkt bereits vorliegt. Das kann als Prototyp sein oder bereits als fertig konstruiertes Produkt. Dann kann direkt am Produkt die Handlung durchgespielt, notiert und in der späteren Erstellungsphase ausführlich dokumentiert werden. Fragen, die Sie an das Produkt richten, richtet sicherlich auch die spätere Nutzerschaft an das Produkt.

Liegt das Produkt nicht vor, dienen Interviews mit dem Entwicklerteam des Produkts als Informationsquelle. Fragen Sie nach technischen Zeichnungen oder 3D-Modellen, so können Sie das Produkt auch ohne haptische Interaktion kennenlernen.

In beiden Fällen sind folgende Fragen gute Anhaltspunkte, um das Wissen für die anstehende Technische Dokumentation zu bekommen:

  • Für welche Zielgruppe ist das Produkt gedacht?
  • Was ist der bestimmungsgemäße Gebrauch?
  • Aus welchen Komponenten besteht das Produkt? Wie heißen diese?
  • Haben diese Komponenten standardisierte Benennungen oder handelt es sich dabei um einen Markennamen?
  • Welche Bedienelemente sind am Produkt angebracht? Welche Funktion haben diese?
  • Gibt es Warnsignale?
  • Kann man sich mit dem Produkt verletzen?
  • Kann das Produkt einen Sachschaden verursachen?
  • Welches Vorwissen braucht man zur Bedienung?
  • Welche Fehler können mit dem Produkt auftreten? Weist das Produkt einen auf eine Störung hin?
  • Wie behebt man Fehler/Störungen des Produkts?

 

Als unterstützendes Beiwerk dient hier die Risikobeurteilung, welche die Konstruktion/Entwicklung verfasst hat. Hier lassen sich einige relevante Informationen finden. Zum Beispiel werden hier die Gefahrenquellen thematisiert, welche nicht konstruktiv beseitigt werden konnten, und auf welche nun in der Dokumentation hingewiesen werden muss. Diese sogenannten Restrisiken können Sie sich am Produkt zeigen lassen, um die Nutzerschaft dann verständlich auf die Gefahr hinzuweisen.

Unsere Empfehlung: Machen Sie sich Notizen, Bilder, Videos – das hilft, in der späteren Phase alle Bedienschritte, Begrifflichkeiten und Hinweise noch parat zu haben.

Bei Neuprodukten oder großen Änderungen sollte die Produktanalyse fester Teil des Dokumentationsprozess sein und als solcher auch terminlich wie Workflow-technisch mit eingeplant werden.

Auch als Dienstleister ist diese Produktanalyse ein fester Bestandteil des Auftrags. Ob als Produktpräsentation am Laptop, eine Vorortbegehung samt Interaktion mit dem Produkt, oder auch als Zusendung des Produkts in unser Büro, wir lernen das Produkt kennen, um so optimal die Informationen aufbereiten zu können.

 

Produktanalyse als wertbringende Kritik

Neben des Kennenlernens, dient die Produktanalyse durch einen Technischen Redakteur oder eine Technische Redakteurin auch als unabhängige Produktbewertung. Das Produkt wird durch ein „fremdes Auge“ unvoreingenommen begutachtet. Das ist eine prima Möglichkeit, um etwaige Schwachstellen oder unnütze Funktionen zu erkennen. Es können die Güteeigenschaften, die Gestaltung, die Usability und auch die Konkurrenzfähigkeit durch einen, wenn auch nicht ganz unabhängigen, Dritten begutachtet werden. Dabei bringt das Redaktionsteam das technische Grundlagenverständnis mit und kann sich in die Zielgruppe reinversetzen – gute Eigenschaften eines Testers.

Nicht zu vergleichen ist so eine Art von Analyse mit einem umfänglichen Usability-Testing. Dabei wird unter wissenschaftlichen Parametern Ihr Produkt im Einsatz getestet. Unabhängige Probanden beschäftigen sich mit Ihrem Produkt zu einer konkreten Aufgabenstellung und werden dabei gefilmt und/oder anschließend befragt. So lassen sich Nutzungsschwierigkeiten mit dem Produkt erkennen.

 

Die Produktanalyse durch das Redaktionsteam ist ein nützlicher Schritt. Das Verständnis für das Produkt wird durch die direkte Interaktion erhöht und zugleich bekommt man ein unvoreingenommenes Feedback. Wir plädieren für mehr Produktanalyse, weil das die Informationsprodukte einfach besser macht!