Ein Trend zeigt, dass wir alle immer mehr zu Bildern und Grafiken in der Kommunikation tendieren. Egal ob es sich um eher private Kommunikation in Form von Chats über „WhatsApp“ handelt, oder „Offizielleres“, wie z. B. Anleitungen und Meeting-Protokolle. Dabei ist Kommunikation heute so kreativ und vielseitig wie noch nie. Wir ergänzen Sprache immer öfter mit anderen Kommunikationsarten und durch andere Kommunikationsmittel. Wir malen Notizen, fassen Besprechungen grafisch zusammen und erfassen, skizzieren und halten unsere Gedanken in Bildern fest.

Doch fangen wir von vorne an. Was ist Visual Thinking? Und was sind Sketchnotes?

Definieren wir beides zunächst.
Der Begriff „Visual Thinking“ setzt sich zusammen aus dem englischen „Visual“ = visuell und „thinking“ = denken. Das Kofferwort bezeichnet das Sichtbarmachen des Denkprozesses und kann als Überbegriff von Sketchnotes und Graphic Recordings verstanden werden. Beim „Visual Thinking“ werden aus einem einfachen visuellen Alphabet die Gedanken in Bild-Text-Kombinationen visualisiert.
Sketchnotes ist ebenfalls ein Kofferwort aus den englischen Begriffen „Sketch“ = Bildchen/Zeichnung und „Notes“ = Notiz und bezeichnet grafische Notizen, die aus Text, Bild und Strukturen bestehen. Dabei sind Sketchnotes kleine visuelle Notizen, die vor allem im privaten Bereich zum Lernen oder zum Notizenmachen genutzt werden.

Visual Thinking Mindmap

Abbildung 1: Visual Thinking Mindmap, von Carina Streicher

Wo liegt der Ursprung des visuellen Denkens?

Schon unsere Vorfahren haben mit den Augen gedacht. Bildzeichen sind die erste Form der Wissensvermittlung, die Menschen genutzt haben und noch heute nutzen. Wir Menschen sind nämlich primär visuelle Wesen. Es kommt also nicht von ungefähr, dass bis zu etwa 83% unserer Wahrnehmung an Informationen aus unserer Umwelt visuell, also über die Augen und das Sehen, stattfinden.

Da wir also mehrheitlich in Bildern kommunizieren, wahrnehmen und denken, sind Techniken und Praktiken wie Visual Thinking und Sketchnotes, die dieses Grundprinzip aufgreifen, ein bereits langlebiger Trend.

Diese beiden Arten der Wissenscodierung und -vermittlung setzen im Grunde auf einfache Bilder, die mit einem Blick erfasst werden und ohne Umweg über die Sprache, Wissen vermitteln und gegebenenfalls Handlungen auslösen sollen. Auch in der Wissenschaft wird die scheinbare Einfachheit und zeitlose Eleganz dieser Art der Kommunikation und Wissensvermittlung wertgeschätzt.

Warum sagt ein Bild mehr als tausend Worte?

Wir nehmen Bilder anders wahr wie Text. Das Verstehen von Bildern und Visualisierungen findet anders als bei Sprache und Schrift nicht in bestimmten, eigenen Gehirnarealen statt. Da es hierfür im Gehirn keine eigenen Bereiche gibt, ist die mentale Bildverarbeitung sehr komplex.

Ähnlich wie beim Textverstehen, läuft die mentale Bildverarbeitung als ein Prozess auf mehreren Ebenen ab. Dabei überschneiden sich die Prozesse auf den Ebenen oft, sind interaktiv, gleichzeitig und verknüpft.

Studien haben allerdings gezeigt, dass vor allem Informationen, die sowohl visuell als auch verbal vorliegen, besser wahrgenommen und gelernt werden. Das ist die Dual-Coding-Theory, vereinfacht zusammengefasst, die Wahrnehmung über zwei Sinneskanäle. Nimmt man nun noch den Picture-Superiority-Effect hinzu, wird klar warum viel für Sketchnotes und Visual Thinking spricht. Der Picture-Superiority-Effect besagt, dass wir uns nach 3 Tagen nur an 10% des Inhalts von nur verbal aufgenommenen Informationen erinnern können. Werden diese Informationen allerdings visuell untermalt, steigt die Erinnerungsquote auf 65%.

Was bringen mir Sketchnotes und das Visual Thinking?

Mit Visual Thinking und Sketchnotes kannst du also einprägsamere Informationspäckchen schnüren, und das auch noch nachhaltiger. Zudem lassen sich auch sehr komplexe Themen visuell vereinfachen. Beide Techniken helfen dir beim aktiven Zuhören, beim besseren Konzentrieren, beim effektiveren Merken und du kannst komplexe Zusammenhänge einfacher erkennen. Mit zunehmender Routine bist du mit Sketchnotes oft auch schneller und du hast auf jeden Fall mehr Spaß.

Wie funktioniert Visual Thinking und Sketchnotes konkret?

Hier können wir unter anderem Leonardo da Vinci fragen. Der Begriff der Sketchnotes ist noch sehr jung, die Praxis findet aber schon seit dem 13. Jahrhundert Anwendung, mit Kritzeleien als Randnotiz in Büchern. Ein sehr bekannter “Kritzler” war eben Leonardo da Vinci in seinen Notizbüchern.

Heutzutage hat sich die teils unbewusste Kritzelei weiterentwickelt. In kleinen Bildern beziehungsweise Sketches halten wir Gedanken, Wissen und Informationen fest und geben sie weiter.

Zum Sketch das ein oder andere Label dazu und schon haben wir eine Sketchnote (einzelne Begriffe) oder sogar ein Graphic Recording (ganze Konzepte). Diese beiden Arten der visuellen Kommunikation sind dem Visual Thinking zuzuordnen.

Ich kann aber weder malen noch zeichnen. Wie soll ich da Visual Thinking und Sketchnotes einsetzen können?

Dank eines sogenannten visuellen Alphabets und sogenannter Bildvokabeln, können wir alle malen bzw. zeichnen. Wie beim Schreiben müssen wir nur erst das Alphabet lernen. Dieses visuelle Alphabet besteht aus einfachen Grundformen, aus denen die Sketche zusammengesetzt werden. Wie bei verschiedenen Sprachen, gibt es hier verschiedene Ausprägungen. Ich persönlich bevorzuge ein visuelles Alphabet mit 10 Grundformen.

Visuelles Alphabet:

  • Punkt
  • Linie
  • Winkel
  • Bogen
  • Spirale
  • Welle
  • Kreis / Oval
  • Auge
  • Dreieck
  •  Quadrat / Rechteck / abgerundetes Rechteck

Visuell Thinking Alphabet

Abbildung 2: Visuelles Alphabet, von Carina Streicher

Allein mit diesen Grundformen können wir alle alles schnell und einfach zeichnen. Aus dem visuellen Alphabet erstellen wir dann Bildvokabeln. Das sind Begriffe, die wir oft brauchen oder die allgemein sehr gängig sind. Wir zeichnen unser persönliches Vokabelheft, auf das wir immer wieder zurückgreifen können.

Wo finde ich Beispiele und Inspiration?

Dieser noch recht neue Zweig der Visualisierungen hat sich in den letzten Jahren gebildet. Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung war und ist ein Trend zur bildlichen Kommunikation beobachtbar. Hobbys und Praktiken wie Sketchnotes, Visual Thinking und Graphic Recordings haben sich verbreitet und Akzeptanz in der Wissensvermittlung und der Informationswissenschaft gefunden. Immer mehr Menschen haben diese Art der Visualisierung für sich entdeckt. Inzwischen gibt es zahlreiche Bücher und Sketches offline wie online. Ein paar bekannte Namen aus diesem Umfeld sind zum Beispiel Nadine Roßa, Mike Rohde, Dan Roam und Sunni Brown. Dabei kannst du dich von allen inspirieren lassen und nach und nach findest du deinen ganz eigenen Stil.

Dir fällt keine Bildvokabel für einen bestimmten Begriff ein? Schau zum Beispiel auf  https://thenounproject.com/  vorbei, hier findest du bestimmt die richtige Inspiration!

Fazit

Werden wir also mal Old-School und nehmen Papier und Stift zur Hand (Tablet mit digitalem Papier und Stift gehen auch) und lassen der Kreativität freien Lauf. Zum Beispiel beim Visualisieren dieses Blogbeitrags.

Ich wünsche viel Spaß dabei und ich sage nur: „wenn ich genug Zeit und Buntstifte hätte, dann würde ich die Welt erklären!” :slight_smile:

Du willst mehr zum Thema erfahren oder mit uns über Visual Thinking oder Sketchnotes reden? Du hast den Blogartikel visualisiert in einer Sketchnote?