Erstellen wir eine Anleitung, rückt das Produkt ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit. Dabei spielt die Person, die sich mit dem Produkt und gegebenenfalls der Anleitung auseinandersetzt, doch eine genauso große Rolle. Wie interagiert diese Person mit dem Produkt? Welche Erwartungen hat die Person an das Produkt und an dessen Bedienung? Welche Vorerfahrung bringt sie mit? Wir müssen uns als Technische Redakteur:in mit den Personen auseinander setzen und das genauso intensiv, wie wir uns mit dem Produkt vor Erstellung der Technischen Dokumentation auseinandersetzen.

Die Personengruppe, welche vermutlich mit deinem Produkt interagieren wird, nennt sich Zielgruppe. Du kannst mit deinem Produkt verschiedene Zielgruppen haben. Nehmen wir als Beispiel einen Laubbläser, passend zur aufkommenden laubintensiven Jahreszeit.

Ein professioneller Gartendienstleister hat ganz andere Erwartungen, aber auch ganz andere Vorerfahrungen als ein Laie.

 

An die Zielgruppen werden die Informationen zielgerichtet erstellt.

Mit Hilfe einer Zielgruppenbetrachtung sollen die Bedürfnisse der Zielgruppe an das Informationsprodukt ermittelt werden. Welches Vorwissen hat die Zielgruppe? Welche Lesemotivation hat die Zielgruppe? Welche Erwartungen hat die Zielgruppe an das Informationsprodukt? Welche Besonderheiten hat die Zielgruppe z. B. benötigt sie eine sehr große Schrift?

An diese Informationen kannst du auf unterschiedliche Weise kommen:

  • Du triffst Annahmen aus deiner eigenen Anschauung
  • Du fragst Dritte z. B. Servicemitarbeiter:innen, welche engeren Kontakt zu deiner Zielgruppe haben
  • Du erstellst (oder lässt erstellen) eine fundierte Zielgruppenanalyse, heißt, du fragst die Zielgruppe selbst

Nur der letzte Punkt entspricht einer Zielgruppenanalyse, die beiden anderen sind lediglich eine Zielgruppenbetrachtung.

 

Die Zielgruppe kennenlernen durch Interviews

Eine Zielgruppenanalyse erfolgt durch Interviews mit der Zielgruppe. Das kann durch einen Dienstleister erfolgen oder der Hersteller des Produkts kann eine Umfrage bei seinen eigenen Kunden schalten.

Bei einer solchen Umfrage können folgende Fragen relevant sein:

  • Welche Tätigkeiten führt die Person mit dem Produkt aus?
  • Unter welchen Bedingungen oder in welchen räumlichen Situationen benutzt die Person das Produkt?
  • Liest die Person initiativ die Bedienungsanleitung oder nur im Störungsfall?
  • Hat die Person schon Erfahrung mit genau diesem oder einem ähnlichen Produkt?
  • Hat die Person eine spezielle Unterweisung zum Produkt erhalten?
  • Hat die Person eine einschlägige Ausbildung, welche die Interaktion mit dem Produkt beeinflusst?
  • Kennt die Person die Fachausdrücke, welche im Kontext des Produkts und dessen Beschreibung fallen? Dazu können einzelne Fachausdrücke im Interview auch abgefragt werden.

Zusätzlich sind persönliche Faktoren der Personen interessant. Die Frage nach Geschlecht und Alter ist generell eher uninteressant, um die Bedürfnisse der Zielgruppe zu ermitteln. Viel interessanter ist es zu erfahren, ob die Zielgruppe einschränkende Probleme hat. Das kann z. B. eine verminderte Reaktionszeit durch das Alter sein, der Bedarf einer größeren Schrift bei älteren Menschen, einfache Sprache bei Nicht-Muttersprachlern, welche die Anleitung somit in einer Fremdsprache lesen.

Wenn du ein solches Interview planst, wähle die gestellten Fragen sehr bewusst aus. Was muss ich über meine Zielgruppe wissen, um dieser ein optimales Informationsprodukt zu liefern?

 

Das Ergebnis greifbar machen

Das Ergebnis dieser Zielgruppenanalyse lässt sich durch die Persona-Methode darstellen. Die Persona-Methode (Persona: lat. Maske) wurde in den 90er Jahren vom Softwareexperten Alan Cooper entwickelt und in seinem Buch „The Inmates Are Running the Asylum“ erstmals vorgestellt (siehe Cooper 1999).

Dabei wird eine fiktive Person erstellt, welche alle Eigenschaften der Zielgruppe repräsentiert. Eine solche Persona kann z. B. als Plakat in die Redaktionsabteilung gehängt werden. So kann man sich im Schreibprozess daran orientieren, wie man für eben genau diese fiktive Person schreiben würde.

 

Der Nutzungskontext ist wichtig

Zu der Zielgruppenanalyse gehört auch die Analyse des Nutzungskontext. Denn neben den persönlichen Merkmalen der nutzenden Personen, ist auch der Kontext, in der die Personen das Produkt nutzen von belangen.

Daraus lassen sich Rückschlüsse für den Inhalt und die Gestaltung des Informationsprodukts ziehen. In welcher Situation kommt die Zielgruppe mit dem Informationsprodukt in Kontakt? Ist das freiwillig oder automatisch? Hat die Zielgruppe im Nutzungskontext bestimmte Herausforderungen z. B. Lärm oder wenig Licht?

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Als Beispiel: Ein Video-Tutorial erklärt anhand von einem Video mit Tonspur, wie ein Reparaturschritt ausgeführt wird.

An sich eine gute Idee – doch in welchem Nutzungskontext steht das Tutorial?

 

Fall 1: Das Tutorial erklärt einen Reparaturschritt einer Waschmaschine. Der Nutzungskontext ist somit eine relativ ruhige Atmosphäre in privaten Waschküchen/Waschkellern.

Das Video kann auf einem Handy oder Tablet während der Reparatur angeschaut werden.

Fall 2: Das Tutorial erklärt einen Reparaturschritt einer CNC-Maschine. Der Nutzungskontext ist somit eine laute Atmosphäre in einer Maschinenhalle. Die Zielgruppe kann den Ton des Videos vermutlich nur schlecht verstehen. Die Zielgruppe hat zudem nicht zwangsläufig ein mobiles Endgerät zur Verfügung.

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Dieses Beispiel soll zeigen, dass ein Informationsprodukt neben der Betrachtung der Zielgruppe eben auch die Betrachtung des Nutzungskontexts berücksichtigen muss.

 

Du möchtest deine Zielgruppe definieren und nutzerzentrierte Dokumente erstellen? Wir unterstützen deinen Erfolg!