Kennen auch Sie Fehlermeldungen oder Buttonnamen, die ganz klar schlecht gewählt wurden? Wie oft bereits haben Sie beim Lesen solcher Texte mit den Augen gerollt oder wussten so gar nicht, was die angezeigte Meldung Ihnen überhaupt mitteilen will? Wie oft haben Sie aus Verzweiflung die Applikation oder den ganzen Rechner bzw. die Maschine neu gestartet, „nur“, um diesem Dilemma zu entkommen?

Unabhängig davon ob Sie ein Softwareprodukt, eine Website, einen SaaS-Dienst, ein PIM-System, eine App für IOS/Android oder Embedded-Software für Maschinen und Anlagen schreiben: In dem Moment, in dem ein Nutzer Ihr digitales Produkt öffnet oder bedient stellt dieses Produkt plötzlich die Schnittstelle zwischen Ihrer Marke und Ihrem Kunden dar. Diese Beziehung möchten Sie pflegen und für den Anwender die Erinnerung an Ihre Marke positiv gestalten, nicht wahr?

Erfahren Sie in unserem Artikel was Conversational-Writing in der Technischen Dokumentation für Softwareprodukte oder digitale Services bedeutet und wie Sie mit einfachen Tipps eine erfolgreiche schriftliche Konversation mit Ihrem Anwender führen.

 

Was ist Conversational-Writing oder gesprächshaftes Schreiben?

Ihre Software oder allgemein gesprochen, das digitale Produkt begrüßt Ihren Kunden beim virtuellen „Eintreten“, hilft ihm, sich schnell und effektiv zurecht zu finden, seine Aufgaben leicht zu erledigen und verabschiedet ihn beim Verlassen.

Niemand wird beim Betreten eines Supermarkts gerne mit der Nachricht „0x4343GF70  – Eintritt verweigert“  alternativlos des Zutritts verwiesen (von einer Person, die schaut wie der Grinch an Weihnachten). Wir erwarten, dass man uns offen begrüßt, eine gemeinsame Sprache mit uns spricht und uns ein Gefühl von Individualität gibt, trotz dessen, dass wir „nur“ einer von vielen Kunden sind.

Ein Idealzustand, den wir uns im Alltag von einem Servicemitarbeiter einer Hotline oder dem Servicepersonal in einem Lokal wünschen und kaum mehr wegdenken können. Warum also gelingt es uns nicht durchgehend, diesen Servicegedanken in die digitale Welt zu übertragen?

Genau hier greift Conversational-Writing (oder auch gesprächshaftes Schreiben bzw. UX-Writing) ein und baut eine aktive Kommunikation mit dem Anwender auf. Nähe und Vertrauen,  was uns sonst der menschliche Kundenbetreuer vermitteln will, sollen in Ihrem digitalen Produkt über die Texte auf der Softwareoberfläche geschaffen werden.

Sechs Regeln und Beispiele für besseres Conversational-Writing in Ihren digitalen Produkten

#1: Schreiben Sie nicht im Stil eines Anwalts

Erschrecken Sie Ihre Nutzer nicht durch einen zu formellen Stil, auch wenn Ihre Kunden den formellen Umgangston Ihrer Marke bzw. Ihres Unternehmens gewohnt sind. Wir als Mensch sprechen lieber mit dem netten Kundenberater und nicht mit dem Herrn Anwalt. Sogar ein echter Anwalt wünscht sich ein Produkt, das einen serviceorientierten und authentischen Dialog schafft, so als würde man sich gerade mit einem freundlichen Kundenbetreuer unterhalten.

In schriftlicher Kommunikation neigen wir dazu, starre Formulierungen zu verwenden, die wenig Bezug zum Leser herstellen und unter Umständen sogar vollständig auf die direkte Ansprache verzichten. Vor allem in der Technischen Redaktion folgen wir Redakteure gerne der Regel „Kürzen, kürzen, kürzen: Eine Technische Dokumentation ist erst dann gut, wenn man nix mehr weglassen kann“. Grundsätzlich ein guter Ansatz. Zu oft führt er allerdings auch genau dazu, dass Texte auf Softwareoberflächen wie R2D2 klingen, beim Versuch, etwas mitzuteilen.

Beispiele solcher Konstrukte sind:

„Wenn Sie sich bereits für diese Seite registriert haben, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse und Ihr Passwort ein.“

Besser:

„Bereits registriert? Geben Sie hier Ihre E-Mail-Adresse und Ihr Passwort ein.“

Schreiben Sie also aktiv und vermeiden Sie erzwungene und behindernde Passivkonstruktionen, die einzelne Satzteile auseinanderreißen.

Je menschlicher die Oberfläche ist und je mehr sie sich an unsere sozialen Normen hält, desto mehr fühlen sich die Nutzer angesprochen, reagieren und lassen sich überzeugen. (Kinneret Yifrah)

Nutzen Sie gerne aktive, direkt ansprechende Verben, auch wenn diese nicht unbedingt die „kürzeste“ Form der Formulierung darstellen:

„Passwort eingeben“ wirkt nämlich deutlich distanzierter auf Ihre Nutzer als:

„Geben Sie das Passwort ein“ oder „Bitte geben Sie Ihr Passwort ein“, wenn Sie besonders freundlich wirken möchten. In jedem Fall sprechen Sie bei einer Aktiv-Formulierung Ihren Nutzer direkt an, leiten ihn zur Handlung an und vermitteln das Gefühl, DER eine Benutzer zu sein, mit dem Sie Kontakt aufnehmen.

In die meisten digitalen Produkte loggen wir uns als Benutzer ein. Dadurch ergeben sich unglaublich viele Möglichkeiten der Personalisierung dieser Dialoge, die Sie mit dem Nutzer führen können. Nutzen Sie das! Werden Sie in der Formulierung so aktiv und so persönlich wie möglich!

#2: Denken Sie nicht zu lange über die „perfekte“ Formulierung nach

Wenn uns im persönlichen Aufeinandertreffen eine Person eine Frage stellt, antworten wir ziemlich spontan darauf. Wir stehen nicht da und sehen unseren Gegenüber erstmal 7 Minuten an, bis wir die perfekte Formulierung für unsere Antwort gefunden haben, um diese anschließend in vollem Glanz wiederzugeben.

Seien Sie deshalb auch in der schriftlichen Konversation für Ihre Produkte spontan, schreiben Sie „drauf los“, ohne lange über die perfekte Formulierung zu grübeln. Überlegen Sie, wie Sie es dem Nutzer sagen würden, wenn er die Information von Ihnen im persönlichen Gespräch einfordern würde? Lassen Sie sich unter Umständen von einem Kollegen wirklich befragen und halten Sie Ihre spontanen Antworten und die exakten Wortlaute der Formulierung fest. So wirkt Ihr Conversational-Writing schon ein Stück natürlicher.

#3: Vermeiden Sie strikte regelbasierte Wiederholungen

Mal ehrlich, kein natürliches Gespräch zwischen zwei Menschen findet mehrfach in 1 zu 1 identischer Weise statt, nicht wahr? Auch wenn wir ähnliche Worte und gleiche Formulierungen verwenden, reden wir dennoch mit jedem Menschen anders – wir gleichen uns (sofern wir uns sympathisch sind) einander an. Ein gutes Beispiel ist der Fakt, dass viele ihre Sprache auf Grundwörter beschränken, wenn sie zum Beispiel von einem Touristen in gebrochener Landessprache nach dem Weg gefragt werden. Wir werden zum Roboter, um die Verständlichkeit zu steigern.

Damit sich auch Ihre Texte wie ein Teil eines echten Gesprächs anfühlen, müssen Sie diese Wortschatz-Anpassungen auch in Ihren digitalen Produkten vornehmen, so wie Sie es eben im echten Gespräch tun würden. Verwenden Sie keine Floskeln wie die o.g. E-Mail-Aufforderung.

„Bitte E-Mail eingeben“, „Passwort wiederholen“ und weitere Formulierungen werden Sie einer echten Person, sofern diese das Formular direkt neben Ihnen befüllt, eher nicht in der Form unterstützend nennen. Sie orientieren sich stets daran, was Sie dieser Person in diesem spezifischen Kontext sagen möchten und formulieren daraus immer einen natürlichen Satz.

Fragen Sie sich: Was möchte ich einem Anwender in dieser konkreten Situation wirklich mitteilen?

#4: Stellen Sie Fragen

Ein Gesprächspartner, der keine Gegenfragen stellt, wirkt auf uns desinteressiert… wir reden und fragen und unser Gegenüber redet wohl gerne nur über sich selbst. Seien Sie mit Ihrem digitalen Produkt nicht diese egoistische digitale Person.

Stellen Sie Fragen anstelle nur Aussagen für die Unterstützung Ihres Benutzers zu treffen. So können Sie eine Aussage à la

„Geben Sie die E-Mail-Adresse ein, an die wir das Passwort schicken sollen.“

in eine Frage überführen, die zum Handeln anleitet und zudem den Dialog fördert:

„Wohin sollen wir den Link senden?“.

Sie sollten aber darauf achten, nicht zu viele Fragen zu stellen – anderenfalls klingen Sie nach einem anstrengenden Bewerbungsgespräch. Das wollen Sie auch nicht, oder?

#5: Vorsicht mit Jargons oder Slangs

Ihre Softwareprodukte bzw. die digitalen Produkte Ihrer Marke generell werden unter Umständen von einer breiten Zielgruppe genutzt. Sie müssen also Repräsentanten für Ihre Marke darstellen. Nutzen Sie in Ihren Produkten einen Slang, der zu spezifisch ist, verfehlen Sie gegebenenfalls den Humor der Zielgruppe oder gar ganz das Verständnis für das Gesagte.

Dosieren Sie daher Jargons und Slangs mit Vorsicht und verwenden Sie keine kulturspezifischen, rassistischen, sexistischen oder politischen Formulierungen. Verzichten Sie im Zweifel eher gänzlich auf Jargons. Auch wenn wir alle wissen, dass diese das Gespräch durchaus menschlicher erscheinen lassen.

Auch eingebaute „Witzchen“ sollten vorsichtig auf Ihren Softwareoberflächen eingesetzt werden. Denken Sie genau darüber nach, wie oft der Nutzer die gut gemeinte lustige Meldung unter Umständen zu Gesicht bekommt. Nach dem 5. Mal „Ups – keine Sorge! Unser Krümmelmonster fixt das Problem unter der Haube in Keksgeschwindigkeit für dich“ hat Ihr Nutzer das Vertrauen in das Krümmelmonster verloren, garantiert!

Ein gut eingesetzter Happen Humor kann sich zum Beispiel in Tooltip-Texten verbergen, die der Nutzer im Alltag nicht mehrmals täglich aufruft. Das überrascht den Nutzer, zaubert ein schmunzeln ins Gesicht und ist nicht nervig. So zum Beispiel gut gelöst beim Profil-Avatar von Confluence:

Gut_eingesetzter_Humor_in_GUI-Texten

Beispiel für gut eingesetzten Humor als Tooltip auf einer Weboberfläche „It`s you, but smaller“

#6: Sprechen Sie in vollen Sätzen, aber halten Sie sich kurz

Ein Widerspruch? Nein, denn viele verstehen unter dem Formulieren ganzer Sätze und dem direkten Ansprechen des Nutzers, dass Sie mit einer Flut an Texten in Ihrer Software rumstreunen müssen. Das ist falsch, denn jedes Wort kann zu viel sein. Angefangen von den Übersetzungskosten bis zur Aufmerksamkeitsspanne des Nutzers. Bringen Sie es auf den Punkt und schreiben Sie nicht:

„Basierend auf einer Umfrage, sind 75% aller Kunden der Meinung, dass der Einsatz eines Technischen Redakteurs auch im Marketingbereich für Texte technischer Natur sinnvoll ist. Das bedeutet, dass nur eine von 4 befragten Personen denkt, dass der Technische Redakteur im Marketing nix verloren hat.“

sondern:

„Statistisch gesehen, schätzen 3/4 der Marketing-Experten die Texte technischer Redakteure“

Fazit

Beim gesprächshaften Schreiben oder Conversational-Writing geht es um den gezielten Aufbau eines schriftlichen direkten Dialogs mit Ihren Anwendern und darum ,das Gefühl zu geben individuell und persönlich im Produkt angesprochen zu werden. Conversational-Writing klingt natürlich und ist dennoch kurz und bündig gehalten. Beim gesprächshaften Schreiben verwenden Sie alltägliche Wörter mit vorsichtig dosiertem Slang oder Humor und formulieren Ihre Texte immer aktiv. Der Fluss der Texte ist stets fließend und erzählt Ihren Nutzern eine Geschichte. Conversational-Writing-Texte drücken immer aus, was Sie in der Situation dem Nutzer sagen würden, wenn dieser persönlich neben Ihnen stünde.

Um das zu erreichen, brechen wir Technische Redakteure oder UX-Writer bewusst bekannte und bewährte Regeln der Grammatik, der Technischen Redaktion bzw. dem regelbasierten Schreiben und wagen uns etwas über den Tellerrand hinaus, um digitale Produkte so menschlich und persönlich wie möglich wirken zu lassen. Dennoch gilt für alle mal mehr mal weniger gewagten Ansätze des Conversational-Writings, dass diese stets mit Vorsicht zu genießen sind. Wie eigentlich mit allem im Leben gilt, zu viel des Guten – ist auch wieder nix!

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