Als Dienstleistungsbüro für Technische Redaktion haben auch wir zu Beginn des Lockdowns reagiert und unsere Arbeit sowohl intern als auch im Kundenkontakt zu 100 % in das Homeoffice verlagert. Was sich beruflich relativ unkompliziert gestalten ließ, da wir infrastrukturell sehr gut darauf vorbereitet waren, stellte sich im privaten Kontext dafür als recht kompliziert heraus.

Denn eines steht fest: Jeder von uns ist privat in der Regel eher weniger auf dauerhaftes Homeoffice vorbereitet. Gemeinsam stehen wir vor neuen Herausforderungen wie der Kinderbetreuung aufgrund geschlossener Kitas, Hunden die ins Meeting bellen, Babies, die bekanntlich für das Daily-Stand-up nicht abgestellt werden können oder wie in meinem Fall: Baumarktbesuche, die sich nicht vermeiden lassen. Doch dazu später mehr.

Gerade in letzter Zeit ist mir die Technische Dokumentation auch im privaten Kontext sehr häufig begegnet, weshalb ich die Gelegenheit des Aufrufes der tekom zur Blogparade „Deine beste Story zum Thema Gebrauchsanleitung“ von Lisa Mümmler gerne nutzen möchte, um Ihnen zu erzählen, welche skurrilen Eindrücke zur Technischen Dokumentation aus mehreren Perspektiven heraus an einem Tag entstehen können.

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Warum ich trotz Lockdown vor die Tür muss

Kurz vor der Krise: der Kauf eines neuen Zuhauses. Der Umzug? Bald! Die Sanierung? Riesengroß. Der Einzugstermin rückt immer näher und das Objekt gleicht einer Großbaustelle. Der Estrich raus, die Fußbodenheizung halb verlegt, der Keller in Trümmern und die neue Elektrik aktuell eher ein Kabelgeflecht.

Vollumfänglich kann der Lockdown für mich also nicht funktionieren, denn in diesem Zustand ist der Einzug im Sommer undenkbar. Fertigstellen ist also die Devise und damit verbunden der notgedrungene Besuch von Baumärkten, Fachhändlern und der distanzierte Kontakt zu Handwerkern.

Die Corona-Situation erfordert Anleitungen für Menschenmassen im Einzelhandel

Alles etwas anders als sonst, klar. Mundschutz, Abstand, Wartezeiten vor und im Markt sowie Personenbeschränkungen in den Gängen. Alles etwas unangenehm, im Großen und Ganzen aber gut organisiert und mit entsprechender Zeiteinplanung für mich persönlich in Ordnung.

Wären da nicht die vielen neuen Schilder, Texte, Zettel und Warnhinweise, die situationsbedingt die Menschen(-massen) regulieren sollen. Diese haben mich als Technischen Redakteur zum Nachdenken angeregt und ich muss zugeben, hin und wieder konnte ich es nicht lassen, einen gut gemeinten Verbesserungsvorschlag anzubringen.

Die Reaktionen? Durchweg positiv. Im Nachgang allerdings bleibt Vieles leider oft unverändert und meine Ideen damit unbeachtet. Einige Beispiele meiner erkannten Alltagsbegegnungen mit der Technischen Dokumentation im privaten Umfeld möchte ich durch die Teilnahme an der Blogparade der tekom gerne mit Ihnen teilen.

Wie die Technischen Redakteure unter Ihnen wissen, ist die einfache Bebilderung in Bedienungsanleitungen bzw. der Technischen Dokumentation im Allgemeinen ein ständiger Kompromiss zwischen Kreativität, Übersetzungskosten und Verständlichkeit. Die inhaltliche Beziehung zwischen Text und Bild ist nicht zuletzt in der Technischen Dokumentation eine wichtige Überlegung, stelle ich fest. Besonders stark habe ich dies privat am eigenen Leib aus der Anwenderperspektive heraus gespürt, wie im nachfolgenden Beispiel beschrieben.

Die Beziehung zwischen Text und Bild, nicht nur in der Doku ein Dauerbrenner

Die erste „Stolperfalle“ erlebte ich in einem Baumarkt. Bedingt durch die Covid-19-Pandemie hat der Markt die zwei vorhandenen Zugänge, durch die üblicherweise der Ein- und Ausgang willkürlich möglich war, in jeweils einen festen Ein- und Ausgang geändert.

Eine Barrikade aus Blumen, Zäunen und mehreren Gitterboxen mit Waren, die man nicht braucht, aber dennoch kauft, vermeiden die versehentliche Nutzung der „falschen“ Tür. Zielstrebig richte ich die Nase Richtung „Eingangsschleuse“ und nehme Anlauf zum Markteintritt in t = 6 Sekunden. Kurz vor dem Eingang fokussiert mein Auge den Aufdruck eines Verbotsschildes auf einem Din-A4-Blatt an der Tür vor mir.

Hinweisschild

Ich habe schnell reagiert und gezielt die Vollbremsung von gefühlten 100 km/h auf 0 km/h eingeleitet. Hinter mir ein Rückstau, nachdem ich fast eine Massenkarambolage verursacht hatte. Verwirrung macht sich breit. Bin ich falsch? Ich wollte doch zum Eingang. Erneuter Blick aufs Schild und den Text darüber:

„NUR EINGANG“

„Was denn nun?“, denke ich und nehme irritiert an, dass dieses Plakat wohl auf die andere Seite der Tür gehört. Zur Sicherheit drehe ich mich allerdings nochmal um und frage den Security-Mitarbeiter, ob ich wirklich am Eingang stehe. „Ja“, antwortet er etwas kurz angebunden. Ich bin wohl nicht der erste, der heute diese Frage stellt. Während meines Einkaufes im Markt hat mich die Frage nicht mehr losgelassen. Gehört dieses Schild auf die andere Seite der Tür und wurde nur falsch aufgehängt? Das könnte ja durchaus passieren. Weshalb wurde das bisher jedoch noch nicht korrigiert? Es ist schließlich 17:30 Uhr als ich den Markt nach meinem Feierabend betrete. Seltsam, aber denkbar.

Die unpassend gewählte Referenz zwischen Text und Bild

Oder wurde hier durch das Symbol versucht, eine inhaltliche Beziehung zum Text herzustellen? Diese Vermutung würde ein Referenzproblem darstellen. Ich bin der Meinung: Das Symbol, um den Hinweis „Nur Eingang“ zu bekräftigen, ist meines Erachtens nach sehr ungünstig gewählt.

In meinem Kopf stelle ich die Brücke zu einem Sicherheitshinweis mit der Aufschrift „Achtung: Verbrühungsgefahr durch heißes Wasser“ her, der mit dem Symbol eines trinkenden Strichmännchens unterstützt wird. Definitiv nicht passend!

Dass es sich bei diesem Sachverhalt wohl wirklich um ein Referenzproblem handelt, bekräftigt sich, als ich nach dem Bezahlvorgang den Markt verlassen möchte. Am Ausgang, ein ähnliches Bild. Die Aufschrift: „NUR AUSGANG“.
Hinweisschild
Das Symbol bleibt eisern unverändert. Das Bild stellt also ein Verbot dar, während mir der Text vermittelt „Hier ist nur der Ausgang, wenn du raus willst, bist du richtig!“. Ja ich will raus aus dem Markt, ja ich bin richtig, nein das Schild-Symbol ist falsch!

Verstörend fand ich an der Kasse die Erkenntnis, dass allein in den zehn Minuten der Wartezeit, um es in meiner Metapher auszudrücken, drei weitere „Großunfälle“ am Eingang nur knapp durch die souveräne Reaktion aller Verkehrsbeteiligten verhindert werden konnten.

Die Rückmeldung – leider erfolglos

Nachdem ich abends wieder in meinem Homeoffice saß, wandte ich mich per E-Mail an die Marktleitung mit dem nett gemeinten Rat, die Schilder bitte nach Möglichkeit umzuhängen. Es sei verwirrend, wenn man den Markt zum ersten Mal betritt. Der Markt reagierte schnell mit einem „Danke für den Hinweis, man wird sich der Sache annehmen“.

Drei Wochen später hängen die Schilder unverändert an Ort und Stelle. Sind wohl festgewachsen, nix zu machen.

„Vor dem erpressen“– Auf die Qualität in der Übersetzung achten!

Zurück zur Baumarkt-Story! Wie eingangs bereits erwähnt sind wir bei unserem Eigenheim aktuell mit der Elektrik beschäftigt. Neben einigen NYM-Kabeltypen sowie diverser WAGO-Klemmen hatte ich ein Aderendhülsenset für flexible Leitungen gekauft, um die Rollladen-Motoren mit der Hausverdrahtung zu verbinden. Das Set besteht aus einer Zange und einer Box aus diversen Aderendhülsen für unterschiedliche Kabeldurchmesser. Kostenpunkt ca. 50 Euro.

Auf der Baustelle angekommen, habe ich einem guten Freund von mir, beruflich Elektriker, die Zange in die Hand gedrückt. Während dieser sich also an meine Rollladen machte, konnte ich wiederum meiner beruflich bedingten Anleitungs-Lese-Sucht nicht widerstehen und bin ihr gnadenlos verfallen. Die Anleitung des Sets: recht klein, in mehreren Sprachen und übersichtlich – viel gibt es zu solch einer Zange eben nicht zu sagen. Doch was ich bereits geahnt hatte bestätigte sich, noch bevor ich zum deutschen Abschnitt der Anleitung wechselte. Auch hier geht der Anleitungswahnsinn leider weiter. Kaum aufgeklappt, lese ich:

„Vielen Dank, dass Sie unser Crimpzangen Aderendhülsen Set bestellen haben.“

Und weiter im Text:

„Passende Kabelschuhe für gewünschte Litze auswählt“

oder besonders spannend:

„Vor erpressen braucht man der Litze zuerst abisolieren“

Wobei ich ehrlich zugeben muss, dass der richtig übersetzte Begriff „Kabelschuhe“ mich wiederum fast schon positiv beeindruckt hat.
Schlechte Übersetzung einer Crimpzangenanleitung

Amüsiert lese ich dem eben genannten Freund von mir dieses Meisterwerk vor. Nun hat endlich auch er verstanden, wie er die Crimpzange zu nutzen hat. Ich lege die Anleitung beiseite und widme mich wieder der Baustellenarbeit. Entschuldigen Sie bitte die Bildqualität an dieser Stelle, denn dies war eigentlich nur ein spontaner Schnappschuss für meine Mitarbeiterin und Übersetzungsexpertin Jennifer Czeschka – das konnte ich ihr in dem Moment einfach nicht vorenthalten. Für ein neues Bild habe ich die Anleitung im Chaos auf der Baustelle leider nicht mehr finden können.

Fazit

Es ist für mich immer wieder eine sehr spannende Erfahrung, auch im privaten Umfeld Berührungspunkte mit der Technischen Dokumentation zu haben und Anleitungen aus der Anwendersicht zu betrachten. Kaum zu glauben, wo uns Aspekte aus der Technischen Dokumentation begegnen, vor allem aber, dass diese nicht ausschließlich in Form von Anleitungen, sondern auch in Hinweisschildern und weiteren Informationsprodukten des Alltags erscheinen.

Ich empfehle daher Ihnen und jedem, der bereits in der Technischen Redaktion tätig ist oder den Quereinstieg wagen möchte, sich bewusst, auch im privaten Umfeld, mit der Materie auseinanderzusetzen.

Persönlich konnte ich bereits einige Beispiele aus privaten Begegnungen heraus in das berufliche Umfeld einfließen lassen. Oft sind es kleinere Nischen-Schwierigkeiten aus anderen Betriebs- oder Bedienungsanleitungen, die meine Aufmerksamkeit wecken, auf die ich unter Umständen nicht direkt eine Antwort habe und mein Wissensdurst in der Folgereaktion die Recherche bzw. die Klärung des Sachverhaltes ankurbelt.

Noch mehr Energie entnehme ich allerdings guten Anleitungen, die komplexe Sachverhalte sehr übersichtlich oder besonders kreativ gelöst haben. Diese Dokumente inspirieren mich und bleiben mir gleichzeitig für potentielle Anwendungsfälle – vielleicht auch für Ihr Unternehmen – im Hinterkopf. Sehr praktisch!