Wissensgraphen machen den Unterschied
18.09.2025
18.09.2025
Metadaten sind längst Standard in der Technischen Redaktion – insbesondere im Maschinen- und Anlagenbau, wo Variantenvielfalt, Zielgruppenvielfalt und Produktkomplexität dominieren. Wer heute modulare Inhalte klassifiziert, schafft die Grundlage für Wiederverwendung, Filterung und zielgruppenspezifische Ausspielung.
Doch: Klassifikation allein reicht nicht mehr aus. Die nächste Evolutionsstufe ist das Verknüpfen dieser Metadaten zu einem Wissensnetz oder Wissensgraph. Damit verwandeln wir isolierte Informationen in ein intelligentes, kontextsensitives System, das nicht nur auffindet, sondern versteht. Und genau hier beginnt der Unterschied.
Nachfolgend wollen wir dir vorstellen, was einen Wissensgraphen so besonders macht und aus welchen Komponenten er sich zusammensetzt.
Einfach gesagt: Es handelt sich um ein Netzwerk, in dem Informationen nicht nur über Eigenschaften (Metadaten) verfügen, sondern auch in Beziehung zueinander stehen. Inhalte, Produkte, Benutzerrollen, Fehlerbilder oder Tätigkeiten werden als Knoten (Entities) dargestellt – die Kanten (Relations) beschreiben, wie diese miteinander verknüpft sind.
Ein klassisches Metadatenmodell kennt zum Beispiel die Kategorie „Fehlertyp“ oder „Produktname“. Ein Wissensgraph geht weiter:
Ein Produkt verursacht einen bestimmten Fehlertyp.
Eine Rolle benötigt Informationen zu genau diesem Fehler.
Die passende Maßnahme behebt ihn.
So entsteht ein semantisches Netz, das nicht nur filtert, sondern in Zusammenhängen denkt.

Klingt nicht nur gut, sondern ist auch gut. Und es ist eigentlich genau das, was wir heutzutage benötigen, um die unfassbare Menge an Daten und Informationen sinnvoll managen zu können.
Die Informationsarchitektur in der Technischen Doku für Maschinen und Anlagen ist ein Paradebeispiel für Komplexität:
Produkte existieren in mitunter hunderten Varianten, mit minimalen, aber relevanten Unterschieden
Zielgruppen reichen vom Servicetechniker bis zur Schulungsleiterin
Anforderungen an Sicherheit, Schnelligkeit und Präzision steigen
In diesem Kontext ermöglicht ein Wissensgraph kontextuelle Intelligenz: Inhalte werden nicht nur durch Metadaten beschrieben, sondern durch ihre Beziehung zu anderen Informationen bedeutungsvoll verortet. Das ist der Schlüssel zur Smart Information.
Höhere Wiederverwendbarkeit: Inhalte, die semantisch eingebettet sind, lassen sich systematisch verknüpfen und neu kombinieren
Effizientere Strukturierung: Wissensgraphen helfen dabei, Themen zu clustern und thematisch zu navigieren
Automatisierte Publikation: Intelligente Regeln (z. B. „Wenn Komponente A → zeige auch Wartungshinweis B“) werden möglich
Grundlage für intelligente Services: Chatbots, Suchassistenten oder kontextbasierte Hilfen können auf den Graphen zugreifen
Längst obliegt der Technischen Redaktion nicht mehr einzig das Dokumentieren. Technische Redakteur:innen sind Wissensmanager:innen. Sie strukturieren und vernetzen Informationen miteinander.
Auch Endnutzer:innen profitieren spürbar davon, dass das produkt- und unternehmensspezifische Wissen systematisiert wird:
Relevanz statt Reizüberflutung: Durch semantische Zusammenhänge wird genau das angezeigt, was in der jeweiligen Situation gebraucht wird
Intuitive Navigation: Statt sich durch Inhaltsverzeichnisse oder Navigationsstrukturen zu klicken, wird der Weg zur passenden Information kurz und logisch
Verkürzte Suchzeiten: Beziehungen ersetzen Keywords – das System weiß, was zusammengehört
Einsatz in modernen Oberflächen: Ob Serviceportal, App oder AR-Anwendung – der Wissensgraph liefert die Logik dahinter
Um einen Wissensgraph aufsetzen und dann abbilden zu können, bedarf es typischerweise:
eines Datenmodells,
einer Graphdatenbank,
mehrerer Schnittstellen (APIs).
#1 Das Datenmodell
Es sorgt für die semantische Struktur und definiert, welche Konzepte (Knoten) im Wissensgraphen vorkommen und wie sie zueinander in Beziehung stehen (Kanten). Es ist folglich die semantische Grundlage, auf der alles aufbaut. Das Datenmodell entspricht dabei einer sogenannten Ontologie, die anders als Taxonomien, Informationen nicht hierarchisch gliedert, sondern sie in einem Netzwerk mit logischen Relationen verpackt.
Übliche Technologien zur Gestaltung von Ontologien:
RDF (Resource Description Framework): Der einstige Standard zur Beschreibung von Metadaten und grundlegende Baustein des Semantischen Webs. Aussagen werden auf Basis dieser Triple-Strukturen formuliert: Subjekt – Prädikat – Objekt.
OWL (Web Ontology Language): Eine formale Beschreibungssprache, die über die Ausdrucksmächtigkeit von RDF-Modellen hinausgeht. OWL unterscheidet Klassen, Eigenschaften und Instanzen.
Ein Beispiel:
Ein RDF-Triple (Subjekt – Prädikat – Objekt) könnte lauten:
„Produkt X“ – „hatFehlermeldung“ – „Error123“
Das Modell bestimmt also: Was ist ein „Produkt“? Was ist eine „Fehlermeldung“? Und wie genau ist „hatFehlermeldung“ semantisch zu verstehen?
#2Die Graphdatenbank
Sie ist das Backend, das die semantische Struktur aufnimmt und zugänglich macht. Sie speichert und verwaltet die Knoten und Kanten. Außerdem verbindet sie die semantische Struktur mit den realen Daten aus den Quellsystemen, wodurch ein leistungsfähiges Netz entsteht. Beliebte Systeme sind Neo4j, Stardog, Ontotext GraphDB, Blazegraph, Amazon Neptune, Virtuoso.
Vorteile:
Schnelle Abfragen auch bei hochverzweigten Beziehungen
Visualisierungsmöglichkeiten (z. B. für Redaktion oder UX)
Skalierbarkeit bei großen Datenmengen
Ein Beispiel:
Die Datenbank speichert:
Knoten „Produkt X“
Knoten „Fehlermeldung 123“
Kante „hatFehlermeldung“
Ein Query könnte dann etwa alle Produkte anzeigen, die mit einer bestimmten Fehlerklasse und einer Benutzerrolle „Instandhalter“ in Verbindung stehen – und die passende Wartungsanleitung gleich mitliefern.
#3Die Schnittstellen
Damit der Wissensgraph nicht nur im Backend existiert, sondern für Endnutzer:innen hilfreich wird, braucht es Schnittstellen, die das System mit der Außenwelt verbinden. Sie sorgen für den Austausch zwischen Component-Content-Management-Systemen (CCMS), Portalen, Chatbots, Produktinformationssystemen (PIM), digitalen Zwillingen u. v. m. Typisch sind SPARQL-Endpunkte (für RDF-basierte Systeme), REST-APIs (für moderne Webintegration), GraphQL (für dynamische Frontends) oder eigene Konnektoren.
Ein Beispiel:
Ein Hilfeportal ruft via API beim Graphen ab:
„Gib mir alle Wartungshinweise zu Produkten mit Komponente X, die im Zusammenhang mit Fehlermeldung Y auftreten und für Zielgruppe Z relevant sind.“
Die Ergebnisliste zu dieser Suchanfrage ist viel relevanter und zutreffender als eine Informationsfilterung via Keywords oder via Metadaten.
Hier wollen wir hin:
Ein Serviceportal erkennt, dass ein Benutzer als Instandhalter angemeldet ist und gerade einen bestimmten Fehlertyp gemeldet hat. Es zeigt automatisch nicht nur die Lösung, sondern auch verwandte Fehler, relevante Sicherheitsinformationen und benötigtes Werkzeug – vollautomatisch aus dem Wissensgraphen gezogen.
Natürlich ist der Weg zum produktiven Wissensgraphen kein Selbstläufer:
Initialer Modellierungsaufwand: Die Beziehungen wollen gut durchdacht sein
Datenqualität: Achtung, ein schlechter Metadatensatz bleibt auch im Graphen schlecht – „garbage in, garbage out“
Interdisziplinarität notwendig: Redaktion, IT, Produktmanagement – letztlich alle Abteilungen im Unternehmen, die etwas zum Produkt sagen können – müssen zusammenarbeiten
Pflege und Governance: Wie überall gilt, dass ein Graph regelmäßig aktualisiert und validiert werden muss
Aber: Der Nutzen überwiegt. Der Aufbau ist skalierbar und kann schrittweise erfolgen.
In der Praxis lässt sich ein bestehendes Metadatenmodell weiterentwickeln: Statt nur „Produkt = XY“ zu verschlagworten, wird definiert:
„Produkt XY besteht aus Komponente Z, welche gewartet wird durch Rolle A, wenn Bedingung B vorliegt.“
Wissensgraphen sind kein Hype, sondern ein konkreter, machbarer Schritt in Richtung zukunftssichere Technische Kommunikation bzw. Informations- und Wissensmanagement im Allgemeinen. Sie können als Single Point of Truth für Content und Daten dienen und stellen keine Konkurrenz zur KI dar, sondern bilden vielmehr ihr Fundament. Ein Wissensgraph liefert die verlässlichen, kontextreichen, produktspezifischen Daten, die die KI braucht, um intelligent und hilfreich antworten zu können.
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